Exkurs Vergesellschaftung

Exkurs: Vergesellschaftung

Vergesellschaftung? Ist das nicht eine autoritäre Maßnahme aus dem letzten Jahrhundert? Der Ruf dieses Begriffs ist tatsächlich nicht gut in diesen Zeiten. Dabei ist Vergesellschaftung weiterhin politischer Alltag – nur nicht so, wie wir uns das wünschen: Die BRD missbraucht z.B. das Konzept der Enteignung, um im Rheinland den Kohleabbau durchzusetzen.

Demonstration während eines Generalstreiks am 10. November 1918 in Leipzig

Was ist also Vergesellschaftung, ganz allgemein? Der Entzug von Eigentum, um es dem gesellschaftlichen Nutzen zuzuführen, oder große Schäden und Ungerechtigkeiten zu verhindern. Sie kann also ein wirksames Mittel sein, um Umwelt und Gesellschaft vor Ausbeutung zu schützen! Hierfür muss sie sich ausschließlich gegen Unternehmen richten, nicht gegen persönlichen Besitz.

Chancen

Unternehmen wie RWE haben ihren Reichtum über Jahrzehnte auf Kosten ihrer Arbeiter*innen und der Umwelt aufgehäuft. Obwohl das für die Wiedergutmachung der Schäden und die Schaffung einer basisdemokratischen Produktion sehr wichtig wäre, geben sie ihn nicht freiwillig wieder her. Das widerspräche ganz einfach den Marktzwängen, denen sie folgen müssen. Vergesellschaftung ist unsere Möglichkeit, durch gesellschaftlichen Druck trotzdem an diese Ressourcen zu kommen – das können z.B. Geld, Gebäude, Ackerflächen oder Fahrzeuge sein.

Wichtig ist: Vergesellschaftung heißt nicht Verstaatlichung! Es braucht die Kontrolle der Ressourcen durch die direkt betroffenen und beteiligten Menschen vor Ort. Möglichkeiten sind z.B. die Verwaltung durch Kommunen oder eigens hierfür gegründete Genossenschaften. Außerdem ergeben sich Möglichkeiten zur Gründung von Kollektiven, da wertvolle Produktionsmittel in unsere Hände gelangen. >> Exkurs: Kollektive.

Ausblick

Enteignungen werden zurzeit vor allem in der Wohnungspolitik diskutiert, um die Mietpreis-Explosion zu stoppen und dem Staat die Kontrolle über den Wohnungsmarkt zurückzugeben. Angedacht sind sie dort allerdings mit Entschädigungen für die enteigneten Unternehmen – eine Vergesellschaftung von RWE müsste entschädigungslos sein, um mit dem Kapital des Unternehmens den solidarischen Strukturwandel zu finanzieren.

Die rechtlichen Grundlagen für eine Vergesellschaftung sind bereits heute mit Artikel 15 des Grundgesetzes gegeben – während der Finanzkrise ab 2008 ermöglichte das „Rettungsübernahmegesetz“ die Enteignung von maroden Banken. Ob und auf welche Weise Enteignungen angesichts der drohenden Klimakrise genutzt werden, ist eine reine Frage des politischen Willens.

Zum Weiterlesen

  • Vergesellschaftung – die Broschüre: t1p.de/vergesellschaftung
  • Das Rote Berlin: Visionen zur Abschaffung des privaten Wohnungsmarkts: t1p.de/rotes-berlin