Energie und Energiedemokratie

Energie und Energiedemokratie

„Energiedemokratie bedeutet, sicherzustellen, dass jede_r Zugang zu genug Energie hat. Die Energie muss jedoch so produziert werden, dass sie weder Umwelt noch Menschen schädigt oder gefährdet.“ Lausitzcamp, August 2012

Die Idee der Energiedemokratie wurde von Teilnehmer*innen des Klimacamps Lausitz bereits 2012 formuliert. Seither gab es viel Bewegung in der gesellschaftlichen Debatte um Energie und Klimakrise – unsere Ziele sind geblieben. Um sie zu erreichen, muss unsere Energieversorgung dreierlei sein: Sozial – ökologisch – und demokratisch. Es stellt sich die konkrete Frage: Wie wollen wir Energiedemokratie im Rheinland umsetzen?

Windräder auf einer Wiese in Mettlach im Saarland [1]

Ökologisch

Seit der Klimakonferenz in Paris sind sich die Staaten der Welt einig: Wenn die Klimakrise nicht unkontrollierbar werden soll, müssen wir die Erderwärmung auf 1,5°C begrenzen. Für unsere Gesellschaft bedeutet das: Erstens die schnellstmögliche Abschaltung aller Kohlekraftwerke. Zweitens einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien. Besonders im Rheinland sind das große Herausforderungen – die wir aber meistern können.

Durch die Klimakrise werden extreme Wetterereignisse stark zunehmen [2]
Laut einer Studie von Greenpeace Energy wäre bei einer Nutzung der Tagebau-Restseen für Erneuerbare Energien eine Stromproduktion von ca. 15,3 TWh[1] jährlich möglich, was knapp einem Viertel der aktuellen Produktion[2] entspricht. Bis zu 1000 Arbeitsplätze[3] könnten dadurch entstehen. Hinzu kommt noch das Ausbaupotential im restlichen Revier. Da Energieerzeugung zukünftig dezentral auf alle Regionen verteilt sein soll, hätte das Rheinland damit seinen Teil zur Versorgung beigetragen.

Sozial

Im heutigen, technologischen Zeitalter steht für uns fest: Energie ist ein Grundrecht, das niemandem entzogen werden darf. Leider sieht dies unter den momentanen Wirtschaftsbedingungen anders aus: 343.000 Stromabklemmungen[4] bei Haushaltskund*innen gab es allein 2017. Das zeigt: Energiearmut existiert auch in Deutschland. Aber wir meinen: Niemand darf aufgrund von Armut keinen Zugang zu Strom haben!

Den Stromverbrauch allein durch hohe Strompreise zu senken, ist unsozial. Wer reich ist, kann weiter beliebig verbrauchen, wer arm ist, bekommt den Strom abgestellt. Eine Alternative wären z.B. sogenannte Stromanteile. Jede*r erhält einen fairen Anteil der produzierten Energie, am besten kostenlos – also völlig unabhängig  von der Zahlungskraft. Diese Anteile müssen sich natürlich am Bedarf messen, der in bestimmten Lebenssituationen höher sein kann, etwa wenn Kleinkinder im Haushalt sind und die Waschmaschine oft läuft. Zugang zu elektrischer Energie ist ein Grundrecht und sollte kostenlos sein!

Kontrolle über die Energieerzeugung haben noch nicht wir, sondern Unternehmen wie RWE
Kontrolle über die Energieerzeugung haben noch nicht wir, sondern Unternehmen wie RWE

Demokratisch

Ökologische und soziale Energieproduktion können wir aber nur erreichen, wenn wir, die direkt betroffenen Menschen vor Ort, die Kontrolle über die Stromerzeugung haben. Wenn wir diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe einem profitorientierten Unternehmen überlassen, geht das schief. Das hat uns die RWE-Vergangenheit des Rheinlands deutlich gezeigt. Dasselbe gilt für den Staat, der viel zu oft wirtschaftliche Interessen bevorzugt. Wie aber setzen wir eine demokratische Verwaltung und den Übergang dorthin um?

Der erste Schritt sollte eine Enteignung des Energiekonzerns RWE sein, eingeschlossen der Tochter RWE Power. >> Exkurs Vergesellschaftung

Vergesellschaftung der RWE

Bei einer Auflösung und Vergesellschaftung von RWE sollten Kommunen (die ca. 15% des Unternehmens besitzen) und private Kleinaktionär*innen natürlich für ihre verlorenen Anteile entschädigt werden. Der Löwenanteil des Kapitals – bis zu 7,5 Milliarden Euro[5] – sollte jedoch für gesellschaftliche Zwecke genutzt werden.

Die Renaturierung von Flächen, wie hier bei der Sophienhöhe, muss organisiert werden [3]
Die Kohlekraftwerke sollten rück- oder umgebaut werden. Das Konzept „RheinRevierWende“ von Greenpeace Energy schlägt die Verwaltung und Durchführung durch eine sogenannte Flächengesellschaft vor. Teil von dieser wäre eine Beschäftigungsgesellschaft (>> Kapitel Arbeiten im Revier). Die Flächengesellschaft wäre dann auch für die Renaturierung verantwortlich. Es ist bedauerlich, dass dies damit eine gesellschaftliche Aufgabe wird –  aber aus dem Atomausstieg haben wir gelernt, dass die Kosten auch beim Business-as-usual irgendwann auf unseren Schultern landen. Wir vertrauen der RWE-Konzernführung nicht mehr und werfen sie schon vorher raus.

Darüber hinaus sollten Flächen, die RWE im Revier aufgekauft hat, an die Landwirt*innen zurückgehen, die sie auch bewirtschaften. Das durch die Enteignung zurückgewonnene Geld könnte zur Absicherung der RWE-Beschäftigten verwendet und die wenigen bestehenden erneuerbaren Kraftwerke zur gemeinschaftlichen Energiegewinnung genutzt werden.

Nach diesem Schritt stellt sich die Frage: Wie wollen wir bestehende und neugebaute Kraftwerke für erneuerbare Energien, z.B. Windräder und Solaranlagen, demokratisch verwalten? Und wie die Flächengesellschaft?

Rekommunalisierung Eine Möglichkeit ist die Übernahme der erneuerbaren Energieerzeugung durch die Kommunen, z.B. mittels eines gemeinsamen Stadtwerkes. Dort sind bereits viele Strukturen vorhanden, die zur Verwaltung benötigt werden. Großer Nachteil ist jedoch, dass Kommunalpolitiker*innen Teil der heutigen politischen Strukturen sind, die uns das Problem erst beschert haben. Ihr Handeln ist nicht transparent, und sie folgen oft den Vorgaben von Unternehmen und wohlhabenden Einzelpersonen.

Jedoch: Anders als auf der Bundesebene ist bei Kommunen mehr Einflussnahme und Kontrolle durch die Menschen vor Ort möglich, hier können wir sozial-ökologische Politik leichter durchsetzen.

Rekommunalisierung der Energieerzeugung
wäre eine alternative Organisationsform

Energiegenossenschaft Eine Genossenschaft wäre für eine demokratische Energieversorgung sehr viel besser geeignet. In einer „Energiegenossenschaft Rheinland“ könnten alle in der Region lebenden Menschen Mitglied werden.

Genossenschaften sind gut für eine demokratische Energieversorgung geeignet [4]
Das Stimmrecht sollte unabhängig von der Höhe der Einlage sein, sodass demokratisch über das Wirtschaften entschieden werden kann. Die durch Enteignung und Neubau zur Verfügung stehenden erneuerbaren Kraftwerke würden in die Genossenschaft überführt.

Ein sozial-ökologisches Verhalten des Betriebs wird auch dadurch erleichtert, dass eine Genossenschaft im Gegensatz zu einer Aktiengesellschaft nicht unter Profitzwang steht. Trotzdem besteht natürlich ein Marktdruck von außen, der zu Problemen führen wird – die Frage nach dem richtigen Wirtschaftssystem wird hierdurch nicht gelöst. Eine Genossenschaft ist aber zum Glück – ähnlich wie ein Kollektivbetrieb – sehr gut für den Übergang in eine Gesellschaft geeignet, in der Profit und Wachstum keine Rolle mehr spielen werden. Und sie ist ein zentraler Bestandteil eines Rheinlands der Gemeinschaft.

Ausblick

Lasst uns den besten Weg gemeinsam finden! [5]
Für die Frage, wie unsere Energieerzeugung umgebaut werden soll, lässt sich keine Antwort finden, die absolut sicher funktioniert. Aber: Das gilt für alle Pläne, auch für die, die der Staat oder RWE präsentieren. Ein Strukturwandel im Rheinland funktioniert nur eingebettet in eine bundesweite Energiewende. Eine dezentrale, demokratisch kontrollierte Energieversorgung bietet uns gleichzeitig die größte Sicherheit und die besten Chancen – Sicherheit vor Ausfällen und Unternehmenswillkür, Chancen auf Mitbestimmung und ein gutes Leben.

 

Den besten Weg dorthin können wir nur durch Gehen finden – also lasst uns gemeinsam aufbrechen!

[1] Energy-Brainpool: Substition der Braunkohlekraftwerke im rheinischen Revier durch Erneuerbare Energien, Seite 20; Twh = TerraWattStunden.

[2] 67,2 TWh im Jahr 2018.

[3] Greenpeace Energy: Factsheet RheinRevierWende, Seite 3.

[4] Bundesnetzagentur: Monitoringbericht 2018, Seite 29.

[5] Dieser Wert ist grob überschlagen – siehe Ausführung im Abschnitt: „Wieviel Kapital gewinnen wir bei einer Enteignung von RWE?“.
Bildnachweise

[1] "Windräder auf einer Wiese in Mettlach im Saarland": Green Energy, Christian Reimer, flic.kr/p/rQQBqW, CC BY-SA 2.0
[2] "Durch die Klimakrise werden extreme Wetterereignisse stark zunehmen": Coastal Elite, Gone Coastal, flic.kr/p/UreG5Z, CC BY-SA 2.0
[3] "Die Renaturierung von Flächen, wie hier bei der Sophienhöhe, muss organisiert werden": Markus Maschinenjunge, flic.kr/p/PH4T9d, CC BY-NC 2.0
[4] "Genossenschaften sind gut für eine demokratische Energieversorgung geeignet": Ausschnitt aus: Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg, flic.kr/p/hutX4b, CC BY-SA 2.0  
[5] "Lasst uns den besten Weg gemeinsam finden!": Ausschnitt aus: Jörn Neumann/Campact, flic.kr/p/2aw4Lc5, CC BY-NC 2.0