Arbeiten im Revier

Arbeiten im Revier

Es ist nicht zu bestreiten – durch den Kohleausstieg werden tausende Menschen, auch im Rheinland, nicht wie gewohnt ihrer Erwerbsarbeit nachgehen können. Da der Ausstieg angesichts der globalen Erwärmung jedoch so schnell wie möglich kommen muss, stellt sich die Frage:  Wie wollen wir ihn umsetzen, ohne Menschen mit diesem Umbruch allein zu lassen?

Sofortmaßnahmen

Zuallererst müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die erste Wucht der Veränderung abfedzuern, die die Beschäftigten der Kohle-Industrie trifft. Diese wurden in anderen Fällen, in denen Konzerne schließen, erprobt und auch von Gewerkschaften gefordert.

Wir müssen – da steht auch die Umweltbewegung in der Pflicht – gemeinsam erreichen, dass bei einem kurzfristigen Kohleausstieg die Löhne derer weiter gezahlt werden, die kurz- oder mittelfristig beschäftigungslos sind. (Manager-Gehälter natürlich nicht in vollem Umfang.)

Es braucht bereits während der auslaufenden Kohleförderung ein umfangreiches Umschulungsprogramm für Arbeiter*innen, deren Kenntnisse nur im Kohlebergbau einsetzbar sind. Viele von ihnen werden außerdem noch für Jahrzehnte im Rückbau der Tagebaue und Kraftwerke beschäftigt sein.

Alternativ sollen ältere Arbeiter*innen bei vollen Renten-Bezügen aus der Lohnarbeit ausscheiden können – wenn sie dies wünschen. Das sind sogenannte Anpassungsmaßnahmen.

Umschulungsprogramme sichern Weiterbeschäftigung [1]
Mittelfristig könnten nach der Auflösung von RWE alle verbleibenden Arbeiter*innen in eine öffentliche „Beschäftigungsgesellschaft[1] übernommen werden, welche die erwähnten Maßnahmen garantiert und in der Praxis durchführt. Dadurch bleibt die wirtschaftliche Existenzsorge der Beschäftigten nicht ihr privates Problem am Markt, sondern wird von der Allgemeinheit getragen.

Diese Angebote an die Arbeiter*innen werden eine Menge Geld kosten. Wie also finanzieren? Wir schlagen vor, uns das Geld aus dem Kapital von RWE zu holen! >> Exkurs Vergesellschaftung

Was ist Wohlstand?

Wenn wir darüber reden, wie wir das „wirtschaftliche Überleben“ der Region sichern und zugleich den Wohlstand der hier lebenden Menschen erhalten wollen, sollten wir uns zuerst fragen, was wir damit meinen.

Der Kohleausstieg muss für Beschäftigte sozial abgesichert werden [2]
Wohlstand ist nicht allein durch den Kontostand oder die Gehaltszahlung zu messen (auch wenn das natürlich eine Rolle spielt). Wir alle wissen: Dafür braucht es auch eine intakte Nachbarschaft, eine liebevolle Dorf/Stadt/Stadtteil-Gemeinschaft, das Wissen, dass uns in Notlagen geholfen wird, sowie eine intakte Umwelt. Und nicht zuletzt auch freie Zeit, die in vielen Arbeitsverhältnissen zu kurz kommt.

Damit diese Art des Wohlstands möglich wird, wollen wir ein „Rheinland der Gemeinschaft“ schaffen. >> Kapitel Miteinander

Wohlstand ist auch intakte Nachbarschaft [3]

Ökologisch-Soziale Arbeit in der Region

Schon vor dem Kohleausstieg hat das Rheinland ein Problem: Es ist abhängig von einem Großkonzern, von RWE. Geht es nach der Landesregierung, wird dies auch nach dem Strukturwandel so bleiben. Ein beliebiges anderes Unternehmen soll Fabriken bauen und Arbeitsplätze schaffen.

Auf Profit ausgerichtete Unternehmen handeln nicht nach den Interessen der Gesellschaft oder ihrer Angestellten. Ihr Zweck ist es, Gewinne zu erzielen. Deswegen sind neue große Konzerne für uns keine Lösung: Die Gefahr von Betriebsschließungen oder der Verlagerung von Arbeitsplätzen, um Kosten zu sparen, wird immer über der Region schweben.

Kleinbetriebe und Kollektive

Eine Vielzahl von solidarischen Kleinbetrieben und Einzelhändler*innen wäre für uns das naheliegendste Gegenmittel. Sie stärken nicht nur die Dorf-und Stadtgemeinschaften, sondern machen die Region auch widerstandsfähig gegen wirtschaftliche Krisen. Das Scheitern einzelner Unternehmen bedroht dann weit weniger Menschen, als das bei Großkonzernen der Fall ist.

Einzelhändler*innen stärken die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit der Region [4]
Aber viele von uns wollen an ihrer Wirkungsstätte noch mehr verwirklichen: Ein Arbeiten ohne Hierarchien, auf einer persönlichen Ebene, ohne Chef*in und den Zwang nach immer mehr Profit. Hierfür eignen sich Kollektive als besondere Form des Wirtschaftens. >> Exkurs Kollektivbetriebe

Ehrlicherweise muss gesagt werden: Auch auf Kleinbetriebe wirken im heutigen Wirtschaftssystem „Marktzwänge“ von außen. Spitzengehälter und Karriereleitern lassen sich auf diese Art und Weise nicht verwirklichen, ein ausreichendes Einkommen schon. Die Region und die Gesamtgesellschaft müssen so organisiert werden, dass dies auch nicht nötig ist – etwa durch günstige Wohnmöglichkeiten für alle. Ein normales Gehalt muss für ein gutes Leben reichen!

Durch die Gründung von eigenen Betrieben und Kollektivbetrieben können die Region und ihre Menschen selbst aktiv werden, um ihre eigene Zukunft zu gestalten. Ermöglicht werden sollte dies durch einen Fonds. Gefüllt mit Mitteln aus den Strukturwandelgeldern, kann er die nötige Anschubfinanzierung leisten. So würde das Geld, das von staatlicher Seite für den Strukturwandel bereit gestellt wird, direkt in die Region fließen, und nicht zu RWE. Ergänzen könnten dies faire Kredite ökologischer Banken oder des Staats.

Wir, die Menschen im Rheinland, können die Vision von einem sozial-ökologischen Wandel selbst mit Leben füllen. Eine sich verändernde Gesellschaft braucht Solarzellen, Busse, Windkraftanlagen, ökologisch produzierte Lebensmittel  und vieles mehr. Bisher waren der Kohlebergbau und der Beitrag zur Energieversorgung ein wichtiger Lebensinhalt für viele in der Region. Ist eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft nicht eine ebenso sinnstiftende und wichtige Aufgabe?

Was ist Arbeit?

Ein Element des sozial-ökologischen Wandels der Region könnte die Produktion von Solarzellen sein

Wir wollen auch eine andere Frage im Blick behalten: Was ist eigentlich der Zweck von Arbeit? Nach allgemeinem Verständnis, nützliche oder angenehme Güter zu produzieren, Dienstleistungen zu erbringen oder für andere zu sorgen. Warum also führt es in diesem Wirtschaftssystem zu „Arbeitslosigkeit“, zu Armut, wenn weniger gearbeitet werden muss? Wenn wir bestimmte Industriezweige – wie die Kohleindustrie – nicht mehr brauchen, wieso können wir dann nicht einfach weniger arbeiten, wenn alle lebensnotwendigen Güter weiterhin vorhanden sind?

8000 Menschen setzten sich im Juni 2019 bei „Kohle stoppen – Klima und Dörfer retten“ für nachhaltigen Strukturwandel ein. [5]
Das Problem ist der gesellschaftliche Reichtum, der ungerecht verteilt ist. Bei Arbeitslosigkeit droht Armut. Es geht also um Gerechtigkeit und Umverteilung. Für uns bedeutet Wohlstand auch, Zeit zu haben. Die Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten ist ein Grundpfeiler der Arbeiter*innen-Bewegung, den wir uns zu eigen machen sollten.

Ausblick

Vieles Gesagte klingt, zugegeben, wie ferne Zukunftsmusik. Aber wir finden: Das könnte man über das eventuelle Ansiedeln von großen Firmen, die Arbeitsplätze schaffen sollen, auch sagen. Der Braunkohleausstieg wird kommen, früher oder später. Lasst uns  das Rheinland darauf vorbereiten!

Viele stellen in diesen Monaten ihre Vorstellungen zum Strukturwandel vor: RWE, die Landesregierung, die Klimagerechtigkeitsbewegung… Es wäre von allen Seiten unredlich zu behaupten, dass der Wandel für die Region keine Probleme bringen wird. Doch wenn nur ein Teil des oben Skizzierten umgesetzt würde, wäre ein Anfang zum guten Leben für alle gemacht.

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[1] Eine „Beschäftigungsgesellschaft“ führt die oben genannten Hilfen für RWE-Arbeiter*innen durch. Hierfür werden diese dort angestellt, um den juristischen Rahmen zu schaffen. Aus Greenpeace Energy: „Konzept RheinRevierWende“, S. 4.
Bildnachweise

[1] BMW Werk Berlin Arbeitgeberverband Gesamtmetall, flic.kr/p/6GGXbE, CC BY-ND 2.0

[2] Ausschnitt aus: Rote_linie_2017, BUND Bundesverband, flic.kr/p/XAxmqy, CC BY-NC-SA 2.0

[3] Nachbarn von Last Hero, flic.kr/p/6AJX8s, CC BY-SA 2.0

[4] Eisenwaren Baubeschläge von monsieur ADRIEN, flic.kr/p/2e7FdyF, Alle Rechte vorbehalten 

[5] Alle_Doerfer_bleiben-Aktion von Jörg Farys/BUND, flic.kr/p/2gj8yBL, CC BY-NC 2.0